Der Inhaber, Marco van der Meer, ist Regionalvorsitzender des Lobbyverbandes „Die Familienunternehmer“
Wie hat sich das Steuersystem in den letzten Jahren verändert?
Seit Jahrzehnten werden Vermögen gar nicht mehr, Kapitaleinkommen immer weniger und Arbeitseinkommen und Verbrauch immer stärker besteuert. Dadurch zahlen Überreiche im Verhältnis deutlich weniger Steuern als Normalverdiener:innen. Diese steuerliche Bevorzugung der Überreichen führt zu immer mehr Ungleichheit. Dies will Attac mit einer gerechten Besteuerung von Vermögen beenden.

Warum ist maßlose Ungleichheit schädlich?
Maßlose Ungleichheit zerstört die soziale Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Überreiche können ihr Geld nutzen, um politischen Einfluss auszuüben, z.B. über Parteispenden und Lobbyarbeit. Dabei müssen sie nicht direkt auf die Politik einwirken, um ihre Interessen zu sichern. Auch durch (anteiligen) Besitz an Medienkonzernen und Social-Media-Plattformen können sie die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten beeinflussen (siehe Station „Medien“).
Überreiche investieren in die Wirtschaftswachstumsmaschine, die Umwelt und Klima zerstört. Zudem zerstört ein luxuriöser Lebensstil, den sich nur Überreiche leisten können, die Natur und schädigt damit das Klima und damit die Grundlage unserer Existenz. So stoßen allein die 50 reichsten Milliardäre in 90 Minuten mehr CO2 aus, als der weltweite Durchschnitt in seinem ganzen Leben (siehe Station „Ungleichheit“).
Wer ist mit den „Überreichen“ gemeint?
Es geht um Multimillionär:innen, Milliardär:innen und deren Erb:innen, die längst nur noch von Kapitaleinkünften leben. Es geht um Privatjets und Luxusjachten. Es geht nicht um Handwerksbetriebe und Einfamilienhäuser.
In Deutschland besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung gut ein Drittel des Vermögens. Die ärmere Hälfte hat zusammen nicht einmal zwei Prozent (siehe Station „Ungleichheit“). Die Überreichen werden immer reicher, während für die meisten Menschen auch hierzulande „Vermögensaufbau“ längst ein Fremdwort ist. Wenn wir von Überreichtum sprechen, meinen wir nicht das elterliche Heim. Wir meinen Multimillionär:innen, die mit einem Investitionsvermögen von 20 Millionen Euro und mehr an den Kapitalmärkten agieren und trotzdem kaum Steuern zahlen.
Was bringt eine gerechte Besteuerung von Überreichen?
Mit gerechten Vermögen- und Erbschaftsteuern lassen sich Vermögen über 20 Millionen Euro abschmelzen. So können wir Daseinsvorsorge, soziale Gerechtigkeit und den klimagerechten Umbau der Wirtschaft finanzieren: gute Schulen, gute Pflege und Gesundheitsversorgung, zuverlässige Busse und Bahnen, stabile Brücken, die Energie- und Wärmewende und vieles mehr. Der Wirtschaft geht es nicht besser, seit die Reichen immer reicher werden, und es schadet ihr nicht, wenn sie ärmer werden. Auch international – bei der G20 und der UNO – steht die Reichenbesteuerung auf der Tagesordnung. Elon Musk und Co. können dann gern auf den Mars auswandern. Eine gerechte Steuerpolitik ist machbar – auch gegen die Macht der Überreichen. Was wir brauchen, ist politischer Druck.

Warum wird die Vermögensteuer in Deutschland nicht mehr erhoben?
Die Vermögensteuer betrug bis zu ihrer faktischen Abschaffung 1% auf das gesamte Vermögen oberhalb eines Freibetrages von 120.000 DM pro Person. Die Abschaffung erfolgte in Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, in dem aber lediglich die viel geringere Besteuerung der Immobilien im Vergleich mit anderen Vermögen bemängelt wurde. Als Vorwand für die Abschaffung diente u. a. auch eine Bemerkung in der Urteilsbegründung, dass die gesamte Steuerlast maximal in der Nähe der Hälfte des Einkommens liegen dürfe („Halbteilungsgrundsatz“) und dass sie nicht höher sein dürfe als der zu erwartende Gewinn („Sollertrag“). Da damals der Spitzensteuersatz für Einkommen noch bei 53% lag, beschloss der Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit kurzerhand, die Steuer nicht mehr zu erheben. Im Grundgesetz steht die Vermögensteuer immer noch, sie wird nur nicht mehr erhoben.
Der damalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde kritisierte diese Entscheidung in einem ungewöhnlich scharfen Sondervotum: Die Sicherung der unbegrenzten Vermehrung von Eigentum sei nicht Inhalt des Grundgesetzes. Wenn die Ungleichheit sich „ungezügelt potenzieren“ kann, gerate die verfassungsgemäße Ordnung insgesamt in Gefahr. Er kritisierte ebenso die vom Urteil geforderte Beschränkung der Besteuerung auf den Sollertrag. 2006 wurde dann vom Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass der Halbteilungsgrundsatz nicht gilt.

Was schlägt Attac vor?
Der Vorschlag von Attac sieht vor, dass das gesamte Vermögen einschließlich des Auslandsvermögens auf der Basis des um 30% reduzierten aktuellen Marktwertes versteuert wird. Der Freibetrag soll eine Million Euro pro Person betragen. Eine Altersversorgung ohne Kapitalwahlrecht bei der Auszahlung wird nicht angerechnet. Attac schlägt einen Stufentarif vor, der mit einem Steuersatz von 1% beginnt. Bei 20 Millionen Euro erreicht die Steuer 10%. Danach steigt sie weiter progressiv an bis zum Spitzensteuersatz von 20% für Milliardär:innen. Dabei muss man bei der Abschätzung der Umverteilungswirkung berücksichtigen, dass das Vermögen von Milliardär:innen vor Steuern im Durchschnitt um mehr als 10% wächst. Inlandsvermögen von Ausländer:innen werden ebenfalls besteuert.
Wie nimmt die Lobby der Vermögenden Einfluss?
Die Lobby der Vermögenden nimmt seit Jahrzehnten massiv Einfluss auf die Politik. Insbesondere in der CDU/CSU und bei der FDP, aber leider auch bei der SPD und den Grünen findet sie Gehör. Die Lobbygruppen der Vermögenden und Unternehmensverbände betreiben aufwendige und gut vernetzte Lobbyarbeit gegen die Besteuerung von Reichtum. Mit diesen Lobbykampagnen haben sie den steuerpolitischen Diskurs geprägt, etwa mit Horrorszenarien über die Auswirkungen der Vermögensteuer. Sie treffen sich hinter verschlossenen Türen mit der Politik und tarnen sich als Fürsprecher mittelständischer Familienunternehmen.
Wer ist die Lobby des großen Geldes?
Wenig bekannt, irreführender Name, eng vernetzt mit der Politik – das ist die Stiftung Familienunternehmen. Anders als der Name suggeriert, ist die Stiftung kein Wohltätigkeitsverein für kleine Handwerksbetriebe oder Landgasthöfe, sondern eine Lobbyorganisation für Überreiche und deren Unternehmen. Die Stiftung vertritt nur die größten Familienunternehmen in Deutschland. Auch wenn die Stiftung zu ihren einzelnen Mitgliedern und Förderer:innen keine Angaben macht, kann man Schlüsse ziehen: Mitglieder seien „über 600 Firmen aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen.“ Das bedeutet, dass die Stiftung nur etwa 0,02% aller rund 3,4 Millionen Familienunternehmen vertritt.
Zweiter großer Lobbyakteur gegen die Besteuerung von Reichtum ist der Verein „Die Familienunternehmer“. Der Name ist zum Verwechseln ähnlich und auch hier steht der Name „Familienunternehmer“ keineswegs allein für kleine und mittelständische Unternehmen oder gar alle Familienunternehmen. Der Verein hat 6.500 Mitglieder. Kriterium für einen Mitgliedsantrag ist ein Umsatz von mehr als einer Million Euro und mindestens 10 Mitarbeitende. Von rund 3,1 Millionen Kleinst-, kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland (2021) waren demnach nur ca. 17% überhaupt berechtigt, einen Mitgliedsantrag zu stellen. Die Unternehmen der Mitglieder, die im Verband den Ton angeben, sind vor allem große Unternehmen. Im Präsidium der Stiftung trifft man z.B. wieder auf Namen, die zu großen Unternehmen gehören: Oetker, Deichmann, Zinkann (Miele) (Quelle: https://www.lobbycontrol.de/reichtum-und-einfluss/die-lobby-der-superreichen-gegen-die-besteuerung-von-reichtum-119795/).
Wenn du die Ausführungen interessant fandest und das Thema vertiefen möchtest, findest du hier ein paar Tipps zum Weiterlesen.
Weblinks:
Bücher
- Karl-Martin Hentschel/Alfred Eibl, Steuer-Revolution!, 2024
- Martyna Linartas, Unverdiente Ungleichheit, 2025
- Julia Jirmann, Blackbox Steuerpolitik, 2025
- Jorgen Randers/Till Kellerhoff, Tax the Rich, 2025
- Marlene Engelhorn, Geld, 2022
- Sebastian Klein, Toxisch reich, 2025