Wie entsteht Reichtum?
Tüchtige Menschen können durch Arbeit zwar viel Wohlstand erlangen, aber niemals so viel, dass sie nur von den Erträgen ihres Kapitals leben können. Stattdessen wird Reichtum häufig vererbt oder durch die Ausbeutung der Arbeit anderer erzeugt. Großer Reichtum entsteht oft nicht durch eigene Arbeit, sondern durch die Aneignung des Mehrwerts, den andere schaffen.
Welche Beispiele aus der Geschichte gibt es?
Historische Beispiele dafür sind die feudale Ausbeutung im Mittelalter, als adlige Grundbesitzer von der Arbeit leibeigener Bauern und Bäuerinnen profitierten. Beispiele für vorindustriellen Reichtum sind die Familien Thurn und Taxis oder in Düsseldorf die Grafen Spee.
Ab dem 18.Jahrhundert wird die industrielle Ausbeutung wichtiger, als Fabrikarbeiter:innen unter miserablen Bedingungen lebten und arbeiteten und Hungerlöhne erhielten. Auch die Kolonialisierung und Sklav:innenarbeit trugen zur Ansammlung von Reichtum bei.
Wie findet Mehrwertaneignung heute statt?
Heute findet Mehrwertaneignung in anderer Form auch noch statt, beispielsweise durch niedrige Löhne, die unter dem Wert der tatsächlich erbrachten Arbeit liegen. Unternehmen maximieren ihre Gewinne, indem sie die Löhne unter der Produktivität halten, und schaffen so enorme Kapitalrenditen. Ein Beispiel dafür sind große Konzerne, bei denen der Gewinn pro Mitarbeiter:in oft mehrere Zehntausende Euro beträgt, während die Löhne im Verhältnis dazu relativ niedrig sind.
Eine weitere Form der Aneignung ist die Praxis von sogenannten „Heuschrecken“ – Investor:innen, die Unternehmen kaufen und mit Krediten bezahlen, die sie dann mit den Unternehmensgewinnen zurückzahlen, die die Arbeitnehmer:innen erarbeiten. So profitieren Investor:innen vom Unternehmen, ohne eigenes Kapital einzubringen.
Auch über Finanzmärkte wird Reichtum angehäuft. Investor:innen kaufen Aktien, erhalten Dividenden oder machen Gewinne durch Kurssteigerungen. Der Ökonom Thomas Piketty hat nachgewiesen, dass große Vermögen durchschnittlich eine Kapitalrendite von 8% jährlich erzielen, was bedeutet, dass sie viel schneller wachsen als die Wirtschaft selbst und die Kluft zwischen Kapital- und Lohneinkommen deshalb wächst.
Wie kann Reichtum noch entstehen?
Es gibt auch Formen der Reichtumsbildung durch kriminelle Machenschaften. Historische Beispiele sind die „Arisierung“ jüdischer Unternehmen und Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus oder die Machenschaften von Banken in der Finanzkrise 2008, bei der Banker und Investor:innen durch betrügerische Finanzprodukte reich wurden. Manche Gewinne werden illegal erworben und der Besteuerung entzogen. Das Geld nennt man dann Schwarzgeld. Bei Juwelier:innen kann man es unauffällig scheinlegalisieren, „waschen“.
Reichtum kann auch in der Unterhaltungsbranche oder im Spitzensport entstehen, wobei oft fragwürdige Methoden wie Steuervermeidung oder die Ausnutzung von Prominenz für Werbung eine Rolle spielen. Selbst in diesen Branchen ist der Reichtum nie nur das Ergebnis persönlicher Leistung, sondern wird in gesellschaftlichen Strukturen durch die Zusammenarbeit vieler Menschen erzielt, die nicht immer gerecht daran beteiligt werden.
Wie werden Erb:innen großer Vermögen begünstigt?
Bei der Vererbung großer Vermögen wird übrigens oft weniger Erbschaftsteuer fällig als bei den „normalen“ Erbfällen. Beispiel: Wer von der Tante eine Wohnung erbt, zahlt Erbschaftsteuer. Wer ein Wohnungsunternehmen mit 1000 Wohnungen erbt, zahlt kaum oder gar keine Erbschaftsteuer. Für Unternehmen gelten nämlich andere Regeln.
Ein anderes Beispiel betrifft den alten Adelsbesitz. Hier wurde bis nach dem 2. Weltkrieg oft die Konstruktion des „Familienfideikommiss“ angewendet. Die Erb:innen wurden bei dieser Rechtskonstruktion nicht als Besitzer:innen des Familienvermögens angesehen, sondern nur als dessen Nutznießer:innen und Treuhänder, die das Familienvermögen für kommende Generationen erhalten sollten. Da die so ererbten Grund- oder Immobilienwerte nicht als persönlicher Besitz angesehen wurden, wurde auch keine Erbschaftsteuer fällig. Mit der trickreichen Handhabung des Fideikommiss-Rechts konnte auch die reichste Düsseldorfer Familie, die Grafen Spee mit ihrem Schloss und Park in Heltorf, ihren Besitz über Jahrhunderte erhalten und sogar die Enteignung durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg abwenden. Für Normalsterbliche gibt es kein vergleichbares Privileg.
>> Station 5: Medien | Rheinische Post, Schadowstr. 11B